Nicht, wenn wir dafür sorgen, dass Kinder sie sachgerecht erwerben! – So lässt sich bündeln, was Ursula Bredel, Professorin in Hildesheim, am 14. Oktober 2016 in SOZUSAGEN im Bayerischen Rundfunk
Hendrik Heinze geantwortet hat. Hier ihre Kernaussagen:
Mit welcher Ausgangsschrift Kinder die Schriftsprache erwerben sollen, wird in zwei Spuren diskutiert:
* Handschrift oder Tastatur?
* Welche Ausgangsschrift dient der Handschrift am besten?
(Möglich sind: Lateinische Ausgangsschrift LA, Vereinfachte Ausgangsschrift VA, Schulausgangsschrift SAS oder Grundschrift GS)
Reduzierte Buchstabenformen (GS) bieten keinen Vorteil. Die aufwendige Ausführung von Buchstabenformen (LA, SAS) macht aufmerksamer für das Schreiben insgesamt. „Je sorgfältiger Schüler schreiben,
desto stärker sind sie auch orthographisch.“
Schreiben ist nicht buchstabieren. Wir brauchen verbundenes Schreiben (mit LA und SAS) für die „komotive Ausführung von ganzen Bewegungsabläufen“, um Silben und Wortbausteine in einem Zug zu
speichern. „Insofern stützt das verbundene Schreiben auch die kognitive Repräsentation von orthographischen Mustern.“
Schönschreiben nützt dem Rechschreiben! So direkt wird das nicht gesagt. Aber Cornelia Funke wird zitiert: „Mit der Schreibschrift können wir unseren Kindern eine Technik zeigen, mit der sie Schönes
erschaffen können.“ Das mache glücklich. Und Bredel erklärt es für wahrscheinlich, dass die Arbeit an der Ästhetik der eigenen Schrift letztlich auch der Orthographie und dem Text dient.
Zwingt Schreibschrift nach Druckschrift die Kinder zu einem Neustart, frustrierend und unökonomisch? Dies Hauptargument für die GS wird von Bredel entkräftet: LA und SAS sind keine „ganz neue Form,
sondern die Elaboration der Druckschrift, die zuvor als orientierende Schrift erworben worden ist.“ Mit der GS bekämen wir ein buchstabierendes Schreiben, auch Schreibstottern genannt, in dem Kinder
steckenbleiben können.
Bayern hat neben der VA die SAS zugelassen, entwickelt in der DDR. Überraschend, aber zu begrüßen! Die SAS biete „die besten Voraussetzungen für den Schriftspracherwerb“.
Unverbundene Buchstaben in der Handschrift Erwachsener, die mit einer verbundenen Ausgangsschrift begonnen haben, sind nur oberflächlich betrachtet Druckbuchstaben. Tatsächlich sind sie die sichtbare
Spur „komotorischer Prozesse“, die in einer flüssig automatisierten Handschrift ausgeführt werden, ohne dass der Stift noch durchgehend das Papier berührt.
Handschreiben gehört an den Anfang des Schriftspracherwerbs, „Tastaturschreiben sollte als wichtige Kulturtechnik aufgesattelt werden“.
„Wir haben bisher keine vernünftige Tastatur-Schreibdidaktik, und das ist nicht trivial.“ Empirische Studien und programmatische Überlegungen zu einer solchen Didaktik „liegen nur in Spurenelementen
vor.“
„In der Wissenschaftslandschaft ist das Handschreiben und dessen Erwerb über sehr lange Jahre sehr vernachlässigt worden.“ Jetzt fehlen ihr fundiertere Studien, um zu sehen, welche Effekte
bestimmte politische Entscheidungen auf die Erwerbsprozesse haben.
Unsere Frage: Wer schützt die Schreibfertigkeit der Anfänger vor Wahn und Wollen der Digitalisten?